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Social Forecasting: Kollektive Intelligenz nutzen

Partizipation und Kooperation. Das sind die Schlagworte, die Unternehmensführung heute kennzeichnen (sollten). Darauf bin ich in meinem Beitrag Führungskultur im Wandel – gestern – heute – morgen bereits eingegangen. Die Einbindung der Mitarbeiter in Unternehmensentscheidungen ist dabei kein Selbstzweck. Die kollektive Intelligenz ist eine wichtige Ressource für Unternehmen. Prognosen mittels Social Forecasting können Unternehmen helfen, diese Ressource auch zu nutzen.

Warum Mitarbeiter in Entscheidungsfindungen einbinden?

Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter aus drei Gründen in Unternehmensentscheidungen einbinden:

1. Weil Mitarbeiter, die an strategischen Unternehmensentscheidungen beteiligt sind, sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren, zufriedener und dadurch motivierter sind.

2. Weil Mitarbeiter, ihr Wissen und ihre Kompetenzen, aber auch ihre Meinungen und Einschätzungen eine unschätzbar wichtige Ressource für Unternehmen sind.

3. Weil das Management schneller Entscheidungen aus fundierter Crowd Bewertung treffen kann und somit das Risiko von Fehlentscheidungen minimiert

Das möchte ich am Beispiel von Social Forecasting, einer Prognosemethode, verdeutlichen.

Wozu brauchen Unternehmen Prognosen?

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Bild: © Michael Brown / fotolia.com

Der Innovationsdruck der Märkte, der auf die Unternehmen wirkt, kann dafür sorgen, dass wir morgen schon von gestern sind. Um schnell auf den Wandel reagieren zu können, müssen Unternehmen – besonders, wenn sie hohem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind – heute schon wissen, was morgen passiert. Konkret bedeutet das: Sie müssen unternehmerische Entscheidungen in einem komplexen Umfeld treffen, auch wenn die Umstände sehr unsicher sind.

Eine Möglichkeit, die Prognosen zu verbessern, ist Marktforschung. Die wird meistens von einem externen Dienstleister durchgeführt, ist teuer und zeitaufwändig. Dabei sitzt der Markt, den man beforschen möchte, je nach Größe des Unternehmens im eigenen Unternehmen: Die Mitarbeiter. Ihre kollektive Intelligenz nutzt Social Forecasting.

Social Forecasting ist internes Crowdsourcing (s. Bitkom Whitepaper zu Crowdsourcing), das Wissen von Mitarbeitern und Experten aggregiert und in quantifizierbare Geschäftskennzahlen umwandelt, die dann der Unternehmensführung als Entscheidungsgrundlage dienen.

Social Forecasting der klassischen Marktforschung überlegen

Die Prognosen, die mittels Social Forecasting generiert werden, sind in mehr als 75 Prozent der Fälle genauer als die Ergebnisse der Marktforschung. Und außerdem sind sie viel schneller und günstiger: Fundierte Ergebnisse gibt es bereits innerhalb einer Woche – Managemententscheidungen können so früher getroffen werden. Vor allem, wenn es darum geht, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, ist Zeit ein knappes Gut. Social Forecasting ist also klar im Vorteil. Noch dazu ist Social Forecasting nur halb so teuer wie Expertenbefragungen oder Konzepttests – Instrumente, die die Marktforschung nutzt.

Was sind die Voraussetzungen für Social Forecasting?

Social Forecasting funktioniert am besten, wenn das Unternehmen bereits den Pfad der Digitalisierung beschritten hat, es kann aber auch eigenständig angewandt werden. Man braucht eine Social Forecasting Software, die (im Idealfall) ins interne Social Network oder Social Intranet eingebettet ist. Wie an einem Aktienmarkt erhalten Mitarbeiter virtuelles Kapital, das sie in Ideen und Fragen spielerisch investieren können.

Digitalisierung und Collaboration müssen aber auch in der Unternehmenskultur verankert sein: Einstellungen und mentaler Fit der Führungs- und Mitarbeiterebene sind ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor auf den Erfolg von Social Forecasting.

In die Prognosebörse können Fachbereiche Fragen einstellen, die sie durch Crowdsourcing beantwortet haben wollen. Mögliche Themen sind z.B. Absatzprognosen, Produktbeurteilungen, Innovationsbewertungen, F&E Steuerung, Preisgestaltung usw. – häufig Fragen, die man sonst an externe Marktforschungsagenturen outsourcen würde.

Ein typisches Merkmal für Social Forecasting ist die Gamification: Spielerische Elemente wie Erfahrungspunkte oder Highscores motivieren die Mitarbeiter, sich zu beteiligen. Wissen teilen kann und soll auch Spaß machen.

Social Forecasting bei der Deutschen Telekom

Während meiner Zeit bei der Deutschen Telekom habe ich dort Social Forecasting als Prognosemöglichkeit etabliert.

(Quelle: Stephan Grabmeier / YouTube)

Ich möchte ein Beispiel vorstellen, bei dem Social Forecasting erfolgreich angewandt wurde. Als es darum ging, die Preise für Web Services in Deutschen Fußballstadien festzulegen, prognostizierten die Experten aus dem zuständigen Geschäftsbereich Einnahmen von rund einem Euro pro User. Das wäre viel zu wenig gewesen, um das Projekt wirtschaftlich rentabel umzusetzen. Deshalb stoppte der Vorstand das Projekt.

Das Projektteam stellte die Frage nach dem Pricing in die Telekom Prognosemärkte: Die Crowd prognostizierte den Preis auf 3,89 Euro pro User. Externe Marktforschung, die parallel dazu beauftragt wurde, bestätigte den Wert um eine Abweichung von 0,1 EUR. Auf Basis der kollektiven Intelligenz wurde das Projekt wiederbelebt, erneut verhandelt und der Vorstand gab die Produktentwicklung frei. Im April 2013 ging der erste Service im Stadion von Bayer Leverkusen an den Start – und wurde von Kunden und Fans angenommen. Der Service wurde darauf erfolgreich an weitere Fußballstadien verkauft. Dank Social Forecasting konnte das Managementteam so einen Geschäftsservice aufbauen, der mit den herkömmlichen Methoden und Denkmustern schon ad acta gelegt worden war.

Erfolg auf der ganzen Linie

Social Forecasting liefert zu enorm niedrigen Grenzkosten einen sehr hohen geschäftlichen Nutzen. Marktforschungsbudgets können rapide gekürzt werden und noch viel wichtiger: Crowdsourcing steigert die Mitarbeiterbindung: Das Feedback aus der Belegschaft war und ist überwältigend positiv. Die hohe Wertschätzung für den Einsatz des eigenen Wissens trug im Fall Telekom zusätzlich zur Motivation der Mitarbeiter bei und steigerte die Identifikation mit dem Unternehmen.

Dieses Beispiel zeigt: Partizipation und neue Formen der Unternehmensführung sind gewinnbringend für beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

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